Geschichte

Der Jäger und die Weidmannssprache

Unsere Jägersprache, auch Weidmannssprache genannt, lässt sich in den Anfängen bis in das 7. Jahrhundert rückverfolgen. Jagdbezogene Begriffe oder Fachausdrücke blieben aber vorerst in die Gemeinsprache eingebunden. Erst zur Zeit der beginnenden Feudaljagd um Karl dem Großen, als die Jagd zum Privileg der Herrschenden und damit aufgewertet wurde, nahm die eigenständige Sprache der Jäger eine rasche Entwicklung. Anfangs war die Weidmannssprache eine reine Fachsprache, welche die damals aktuellen Jagdmethoden, wie die Beizjagd, die Jagd mit dem Leithund auf Rotwild, aber auch den Vogelfang bezeichnete und beschrieb. Sie gilt als eine der ältesten Fachsprachen der Welt, deren Wortschatz im Lauf der Jahrhunderte rund 13.000 Begriffe erreichte. Von denen sind schätzungsweise etwa drei- bis sechstausend, zum Teil mundartlich und auf bestimmte Gebiete beschränkt, auch gegenwärtig im Gebrauch. Unzählige Ausdrücke und Begriffe, wie z.B. Fährte aufnehmen, zur Strecke bringen, Lunte riechen, auf den Leim gehen oder ins Gehege kommen, sind im Laufe der Zeit aus der Jägersprache längst in die Umgangsprache eingewandert. Natürlich hat die Jägersprache sich immer wieder geändert, sich anderen Jagdmethoden, neuen Wildarten und Waffen und auch den wechselnden Ansprüchen der Zeit angepasst. So enthielt sie zeitweilig viele Sprachbegriffe aus dem Französischen und Englischen; heute kommt sie aber mit nur wenigen Fremdwörtern aus, z.B. kupieren, revieren, frettieren oder ferm.

Mit gestiegenem Selbstbewusstsein der „zünftigen“ Jäger wuchs deren Wunsch, sich in Kleidung und Gehabe von den Nichtjagenden – damals Bürgern und Bauern – abzusondern, und auch so zu reden, dass die Allgemeinheit sie nicht mehr versteht.

So wurde die Jägersprache langsam zur „Zunft“- und Standessprache. Als solche ist sie heute das einigende Band, das uns deutschsprachige Jägerinnen und Jäger ohne soziale Unterschiede miteinander verbindet. Seit ihrer Entstehung steht die Weidmannssprache im Geruch einer Geheimsprache. Das ist sie aber keineswegs. Sie hat auch nichts mit dem Jägerlatein, der drastischen Übertreibung von Jagderfolgen und Jagderlebnissen zu tun, und dient auch nicht der Abgrenzung der Jäger von den Nichtjägern. Vielmehr ist diese unerhört bildhafte Sprache für uns Jägerinnen und Jäger selbst untereinander ein effizientes Mittel zur präzisen Beschreibung des jeweiligen Geschehens im jagdlichen Umfeld. Ein guter, also „gerechter“ Jäger versteht es, sich in der Weidmannssprache auszudrücken, vermeidet sie aber rücksichtsvoll im Umgang mit jagdlichen Laien.

Im eigenen Standesbereich sah man in alter Zeit derartige Verstöße gar nicht tolerant: Der nicht korrekte Gebrauch der Weidmannssprache oder auch ein sonstiges Fehlverhalten, etwa das Übersteigen der Strecke, wurde streng bestraft. Es gab dafür die viel zitierten drei Pfunde. Drei nicht gerade zarte Hiebe mit dem flachen Weidmesser, begleitet von markigen Sprüchen, auf die entblößte Kehrseite des Sündigen!

Diese Strafe ist nicht zu verwechseln mit dem „zum gerechten Jäger schlagen“, nämlich dem Wehrhaftmachen des jungen (Berufs-)Jägers. Diese Zeremonie kam eigentlich dem Ritterschlag nahe. Sie erfolgte – auch von bestimmten Sprüchen begleitet – durch einen Backenstreich auf die linke Wange oder durch Auflegen, nicht Schlagen (!), des Hirschfängers auf die linke Schulter des als „gerecht“ Ausersehenen. Beide Jagdbräuche wurden im Laufe der Zeit häufig vermischt und wurden als auch werden heute noch im Handlungsablauf und im Text der zugehörenden Sprüche vielfach variiert. Man denke an die drei Schläge mit dem Bergstock auf den Hintern des über sein erstes Stück Hochwild gestreckten Jungjägers! Weil dabei ernst zu nehmendes Brauchtum manchmal leichtfertig mit Hetz und losem Unfug unziemlich vermengt wird, soll der „Jägerschlag“ im weitesten Sinne in einer späteren Folge dieser Brauchtumsserie einer sorgfältigen Erörterung unterzogen werden.

Am meisten unbefangen, unverfälscht und lebendig sprechen wohl unsere Berufsjäger die Weidmannssprache im täglichen Umgang untereinander und mit ihrer Jagdherrschaft. Aber auch wir so genannten Freizeit-Jägerinnen und -jäger sollten uns – als kritisch betrachtete Minderheit in der heutigen Gesellschaft – selbstverständlich und selbstbewusst der Weidmannssprache bedienen. Und dieses überaus wertvolle Kulturgut dadurch weiter erhalten, in dem wir die Sprache wirklich reden. Egal ob im gewohnten Dialekt oder im gehobenen Deutsch, aber nicht hoch gestochen wie in einschlägigen Heimatfilmen. Wenn schon wir stolz sein können, dass manches aus der Weidmannssprache sprachliches Allgemeingut wurde, so sollten wir dagegen nicht schlampiges Umgangsdeutsch mit der Jägersprache vermengen. Daher ist  immer eine gewisse Sorgfalt der Wortwahl gefragt! Zwei Beispiele: Für einen Berufsjäger wird ein einjähriges Stück Rotwild immer ein Kalb sein, und kein „Kaibl“, wie ein gleich altes Rindvieh. Und wenn ein Jäger erfreut über das in unserem Jagdland noch nicht selbstverständliche Schwarzwild stolz ein „Fackerl“ erlegt hat, sollte er wissen, dass junge Sauen Frischlinge oder Überläufer sind und keine Ferkel! Überhaupt verdient die relativ neue Wildart mehr Respekt im jagdsprachlichen Umgang. Denn wenn sich die Sauen örtlich auch problemhaft vermehren, so doch wirklich nicht – wie irgendwo zu lesen war – „wie die Ratz’n“! – Jungjägerinnen und Jungjäger sollten sich jedenfalls frühzeitig an die Redeweise der Weidmannssprache gewöhnen und sich selbst möglichst viel aus dem Wortgut derselben aneignen. Dazu sei ihnen empfohlen, genau hinzuhören, wenn gestandene, ferme Weidmänner jagdliche Abläufe nachvollziehen oder einfach Jagderlebnisse wiedergeben.

Übrigens, auch unser Gruß, unser „Weidmannsheil“ ist ein Element der Weidmannssprache. Er drückt einerseits den Wunsch für ein erfolgreiches Jagen aus und ist andererseits Glückwunsch zur erjagten Beute. Das sollte er auch bleiben! Wir gebrauchen ihn oft, vielleicht manchmal zu oft. Denn Weidmannsheil ist, wohlgemerkt, unser Gruß untereinander und er gehört zur Jagd, und nur zur Jagd und nicht zum Alltag! Wir dürfen einander Weidmannsheil wünschen und haben mit Weidmannsdank zu erwidern. Auch wenn ein wohlgesinnter Nichtjäger uns so beglückwünscht, steht ihm ein Weidmannsdank zu. Sich aber als Jäger gegenseitig in gemischter Gesellschaft oder bei nicht jagdlichen Anlässen auffallend mit Weidmannsheil zu begrüßen, ist jedenfalls aufdringlich. Auch in der jagdbeflissenen Menge, wenn etwa mehr als drei Jägerinnen und Jäger zusammen stehen, werden die vielen Weidmannsheils schon eher peinlich. Wir sollten also unseren schönen Jagdgruß dort aussprechen, wo er hin gehört: nämlich auf den Weg zur Jagd, bei der Jagd und beim Abschied von dieser.

Und natürlich gehört er auch an den Beginn und an das Ende jagdlicher Ereignisse.

 

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